„Wen die Dankbarkeit geniert, der ist übel dran“

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„Danke-Demo“ am Tag der deutschen Einheit: Singen auf dem Frankfurter Römer.

30 Jahre deutsche Einheit. War da was? Über 30 Jahre ist es her, dass Ostdeutsche mutig gegen Unfreiheit aufstanden und mit Kerzen in der Hand ein System zum Einsturz brachten; die Mauer fiel und das SED-Regime dankte ab. Es folgten bewegende und bewegte Monate, bis am 3. Oktober 1990 die staatliche Einheit vollzogen wurde. Ein Kommentar von Norbert Abt. 

30 Jahre Einheit. Ein Grund zum Danken oder gar zum Feiern? – Nein, selbstverständlich nicht! Es liegt doch noch allzu viel im Argen: Ungleichheiten zwischen Ost und West. Ostdeutsche, die ihre Lebensleistung nicht gewürdigt sehen. Und so viele Bereiche, in denen scheinbar nicht zusammenwächst, was zusammengehört. Wer soll da dankbar sein oder gar feiern? Das wäre doch reichlich naiv. – Genau so „ticken“ viele Deutsche. Leider. Im Zweifelsfall ist das Glas eben immer halb leer.

Tempo der Wiedervereinigung
Zu Recht wies Joachim Gauck, der frühere Bundespräsident, in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) darauf hin, dass etliche Fehler und Defizite des Vereinigungsprozesses dem Tempo geschuldet waren, dem sich damals kaum zu entziehen war. Das galt für unsägliche Entwicklungen bei der Privatisierung in Ostdeutschland, aber auch für den berechtigten Wunsch nach einer gemeinsamen neuen Verfassung.

Es gibt dennoch viele Gründe, dankbar auf die deutsche Einheit zu schauen: Deutschland konnte ohne Gewalt, durch den Mut der Ostdeutschen, das Tor zur Einheit aufstoßen. Und hindurchgehen durch dieses Tor konnten die Deutschen wegen einmaliger weltpolitischer Umstände. Dennoch fällt es vielen Deutschen schwer mit Dank zurückzublicken, sei es, weil sie eher Probleme sehen, sei es, weil sie gar nicht mehr zurückblicken.

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Redet frei – und das mit Anstand

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Das geht doch auch anders: zuhören, hinsehen, sprechen.

Linksautonome fackeln Autos von konservativen Christen ab und schmieren Farbe an Kirchengebäude. Rechtsradikale bedrohen den EKD-Vorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm wegen eines Rettungsschiffs im Mittelmeer mit dem Tod. Morddrohungen auch an WDR-Redakteure wegen der „Umwelt-Sau“-Satire und an den früheren BR-Journalisten Rainer Gutjahr. Im Netz derbe und gröbste Beleidigungen. Was ist nur los in Deutschland? Und was ist zu tun? Ein Plädoyer für Meinungsfreiheit und Anstand von Eva Heuser.

Kommentarbild Zwei Köpfe - Nachrichten aus Zeitgeschehen, Religion und Recht, Eva HeuserDeine Meinung darfst Du sagen, aber Du darfst keinen beleidigen. Doch ganz so einfach, wie man Kinder oft glauben machen will, scheint es nicht zu sein. Üble Beschimpfungen auf Facebook muss sich die Grünen-Politikerin Renate Künast nach Meinung des Berliner Landgerichts zumindest teilweise gefallen lassen, weil es vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei. Nicht generell, so das Gericht, aber in diesem ganz speziellen Fall (Politiker, öffentliches Aufreger-Thema) schon. Betrachtet man das ganze Hin-und-Her dieser Geschichte,  erkennt man schnell, wie schwer sich das Gericht seine Entscheidungen gemacht hat. So viel Gewicht hat das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung in Deutschland.

Die Bewertung im Fall Künast steht in krassem Gegensatz zu einer Sorge, die die große Mehrheit der Deutschen teilt: Man könne seine Meinung aus Angst vor Konsequenzen öffentlich nicht mehr frei äußern, laut Allensbach-Studie zumindest nicht zu Themen wie Flüchtlinge, Islam, Drittes Reich, Juden, Homosexuelle und Diverse, Patriotismus, AfD.

Mancher fürchtet die “rechte” Schublade – und richtet sich dann dort ein

Meinungsfreiheit, Zwei Köpfe- Nachrichten aus Zeitgeschehen, Religion und Recht, Eva Heuser, Norbert AbtWas auffällt: All das sind Themen, wo Menschen fürchten, als „rechts“ verortet zu werden – „rechts“ mehr im Sinne von „rechtsextrem“. „Dann bin ich halt ein Nazi“, sagte einmal ein Mann aus Hessen resigniert, der auf der Höhe der Flüchtlingskrise den Bruch der Dublin-Verordnung beklagte. Mittlerweile hat er sich gut abgeschottet in seiner Nachrichtenblase und glaubt an eine Verschwörung gegen Deutschland und die Invasion der Fremden. Ein anderer, studiert und Christ, ist AfD-Mitglied geworden, weil er seine konservativen Werte nirgendwo mehr sonst vertreten sah. Einige Freunde haben sich daraufhin von ihm abgewandt.

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