Mitgliederschwund – Wie will die Kirche noch überzeugen?
Die erwarteten Mitgliedszahlen sind drastisch nach unten korrigiert worden: Finanziell müssen evangelische und katholische Kirche den Gürtel enger schnallen. Gleichzeitig wollen sie kirchenferne Menschen erreichen. Mit neuen Formaten und neuer Offenheit soll das gelingen.
Bis 2060 sollen sich die Mitgliedszahlen der beiden Volkskirchen in Deutschland nahezu halbieren: Angesichts dieser Prognose spricht Kardinal Reinhard Marx als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz von einem „Aufruf zur Mission“. Auf Seiten der Evangelischen Kirche in Deutschland will der Ratsvorsitzende Bischof Heinrich Bedford-Strohm die „starke Botschaft wieder in den Herzen der Menschen verwurzeln“. Die beiden Kirchenoberen geben damit keine neue Losung aus. Wie man Menschen auf den Glauben anspricht, wenn evangelische Pfarrer und katholische Priester allsonntäglich vor fast leerem Haus predigen, fragen sich die Kirchen seit vielen Jahren.
Jungen Erwachsenen ist Kirche besonders fremd
Aus Konvention zur Kirche gehören war gestern. Heute muss Kirche überzeugen: Auffallend selten schafft sie das bei jungen Erwachsenen bis 35 Jahre – und bei Großstädtern, wie eine Recherche der Zeit-Beilage „Christ & Welt“ ergab. Jenseits des Missbrauchsskandals treten Menschen vor allem aus der Kirche aus, weil sie ihnen fremd geworden ist, sie hat ihre Bindungskraft verloren. So weit eine Studie des katholischen Bistums Essen 2018. Darin wird auch ein neues Zukunftsbild von Kirche entworfen: einer „Kirche mit offenen Rändern in Bewegung“ – als Gegenkonzept zum starren „drinnen“ oder „draußen“.
Neue Konzepte werden gesucht
Neue Formen und Ideen von Gemeinde jenseits enger Kategorien sollen entstehen können, das ist auch die Erkenntnis in der evangelischen Kirche. Um solche „Erprobungsräume“ kümmert sich seit 1. August Pfarrerin Rebecca John Klug am „Zentrum Gemeinde und Kirchenentwicklung“ in Wuppertal. Sie hat dort als Landespfarrerin der Evangelischen Kirche im Rheinland eine ganz neu geschaffene Projektstelle angetreten und soll Initiativen für kirchenferne Menschen begleiten und vernetzen. „Wir müssen Menschen einen Raum eröffnen“, sagt sie. „Einfach Kirchenmitglieder gewinnen zu wollen, kann nicht das Ziel sein.“ Es geht um mehr.