Wandel oder Wende? – Die Kirchen und die neue Bundesregierung

Neues Regierungskabinett tagt unter Corona-Bedingungen

Deutschland hat eine neue Regierung. Die Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat mit ihrer Arbeit begonnen. Im Fokus stehen vor allem Maßnahmen gegen den Klimawandel und ein Umbau der Wirtschaft. Doch auch im Verhältnis von Kirche und Staat ist mit Veränderungen zu rechnen, nicht nur atmosphärisch, sondern auch substantiell.

Vordergründig zeigt sich das daran, dass Olaf Scholz der erste konfessionslose Kanzler der Bundesrepublik ist. In Hamburg evangelisch getauft, trat Scholz später aus der Kirche aus. Mit ihm verzichteten sieben der 16 Bundesminister auf den Zusatz „So wahr mir Gott helfe“ bei ihrer Vereidigung. Dazu gehörten die fünf Grünen-Minister sowie der neue Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt und Entwicklungsministerin Svenja Schulze (beide SPD). Christian Lindner hingegen, FDP-Vorsitzender und neuer Finanzminister, wählte die Gottesformel bei seiner Vereidigung, obwohl er bereits als 18-Jähriger aus der katholischen Kirche ausgetreten war.

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Transparenz in der katholischen Kirche: Bitte jetzt keinen Applaus!

Die Meldung hat hohe Wellen geschlagen: Vor wenigen Tagen hat Papst Franziskus verfügt, dass kirchliche Strafverfahren bei Missbrauchsfällen nicht mehr der Geheimhaltung unterliegen. Das sogenannte „päpstliche Geheimnis“ ist damit für diese Fälle abgeschafft: Für Polizei und Staatsanwaltschaft wird es deutlich einfacher, auf Kirchenakten zuzugreifen. Ein Kommentar von Eva Heuser.

Papst Franziskus hat wichtige Schlupflöcher für Sexualstraftäter wie Vertuscher im kirchlichen Getriebe geschlossen. Doch wirft die jüngste Entscheidung des Papstes, das „päpstliche Geheimnis“ für Fälle sexuellen Missbrauchs abzuschaffen, auch wieder einmal ein Schlaglicht auf die dunklen Seiten der Kirche: auf das, was bisher möglich war. Auf die Selbstherrlichkeit, den Narzissmus, die Feigheit und menschliche Schwäche im Klerus, die ein System ermöglicht hat, dessen Erhalt für einige seiner Mitglieder höchste Priorität hatte und die dafür in Kauf genommen haben, die schwächsten Glieder der Kirche im Stich zu lassen.

Verschärft wird das kirchliche Strafrecht jetzt dort, wo es um kinderpornografische Darstellungen geht, um deren Besitz und Verbreitung. Die Altersgrenze für Opfer wird bis zur Volljährigkeit erhöht, zuvor lag sie bei 14 Jahren. Deutlich verschärft hat Papst Franziskus das Kirchenrecht auch schon in seinem Juni-Dekret „Ihr seid das Licht der Welt“, weil zum ersten Mal neben sexuellem Missbrauch auch das Vertuschen dieser Taten strafbar wurde. Verschärft wurde das Kirchenrecht gleichzeitig durch die Meldepflicht an kirchliche Vorgesetzte. All das ist gut, wichtig und richtig.

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Wenn der Mensch zur Ware wird

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Minderjährige Mädchen werden auf den Philippinen von Mitarbeitern der "International Justice Mission" aus einem Bordell befreit. Foto: IJM Deutschland e.V.

Der achtjährige Junge entkam nur knapp dem Tod, als er aus dem eingestürzten Schacht gezogen wurde. Täglich schuftete er zehn bis zwölf Stunden in der Mine unweit von Geita im Osten von Tansania. Die Goldmine war eher ein Loch, kaum größer als ein Quadratmeter, und in 70 Metern Tiefe. Für Dietmar Roller war die Rettung des Jungen die erste direkte Begegnung mit Sklaverei, denn der Junge arbeitete als Sklave für einen Minenbesitzer.

Arme sind schutzlos

Seit vielen Jahren engagierte sich Roller in der Entwicklungshilfe, für verschiedene Organisationen und auch als freier Consultant für Hilfsorganisationen. Doch bei „International Justice Mission“ (IJM) fand er eine Ausrichtung, auf die er „lange gewartet hatte“. Denn ihn beschäftigte schon lange, wie schutzlos Arme sind. „Es gibt sehr viel Elend in der Welt. Aber für mich ist Menschenhandel und moderne Sklaverei die größte Tragödie in unserer heutigen Zeit, weil man den Menschen die Freiheit nimmt und auch das Recht sich zu entfalten. Stattdessen werden sie zur Ware degradiert und dienen dem Gewinnstreben.“

Rechtsbrüchen ausgeliefert

Dietmar Roller, Vorstandsvorsitzender der “International Justice Mission” in Deutschland, kämpft gegen moderne Sklaverei. Foto: IJM Deutschland e.V.

Wer für Armut etwas tun wolle, sagt Roller, dem gehe es meist um Versorgung, Bildung, Zugang zu Wasser oder Gesundheit, aber kaum um Recht. Doch es sei eben besonders die Recht- und Schutzlosigkeit von Armen, die sie in die Fänge von Sklavenhaltern treibe. „Armut ist nicht die Abwesenheit von Reichtum“, betont Roller, „arm ist, wer an den Rand gedrängt wird und nicht teilhaben kann an dem, was sich entwickelt und vorangeht. Arme sind Rechtsbrüchen ausgeliefert, weil es immer wieder rechtsfreie Räume gibt, in denen sie ohne Risiko ausgenutzt werden können.“ Geschäftsmodelle im rechtsfreien Raum funktionierten, weil niemand rechtlich dagegen vorgehe.

40 Millionen Sklaven weltweit

Für Roller sind Sklaverei und Menschenhandel noch viel zu wenig im öffentlichen Bewusstsein angekommen. Schätzungen zufolge sind es weltweit über 40 Millionen Menschen, die in modernen Formen der Sklaverei leben. Sklaverei sei lukrativ: 150 Milliarden Dollar Gewinn werde weltweit mit Menschenhandel und moderner Sklaverei erzielt. Das entspreche in etwa der Größenordnung des weltweiten Waffenhandels oder des Drogenhandels.

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