“Argument gegen den Frauendiakonat ist meines Erachtens entfallen”

Der synodale Weg der katholischen Kirche weckt Hoffnungen. Andererseits stößt er auf Kritik und Skepsis bei Menschen, die nicht an eine Veränderung in der katholischen Kirche glauben, und denen mögliche Schritte nicht weit genug gehen. Was aber ist überhaupt möglich? Was kann der synodale Weg und was kann er nicht?

Professor Bernhard Sven Anuth lehrt Kirchenrecht an der Universität Tübingen. Foto: Sarah Röser

Wir sprechen mit Bernhard Sven Anuth, Professor für Kirchenrecht an der Universität Tübingen, über Chancen und Grenzen – von Amazonas bis Zölibat. Und lassen uns überraschen: Denn den Diakonat für Frauen hält Anuth theologisch wie rechtlich für möglich.

Herr Anuth, die Satzung des synodalen Wegs ist veröffentlicht. Darin steht: Beschlüsse der Synodalversammlung aus Bischöfen und katholischen Laien haben keine Rechtskraft. Als was muss man den synodalen Weg sehen, wenn er Kirchenrecht nicht ändern kann?

Als Wiederauflage des Gesprächsprozesses unter anderem Namen, würde ich sagen. Der Gesprächsprozess nach 2010 ist ohne konkrete Ergebnisse geblieben. Es sollte jetzt mehr Verbindlichkeit in den synodalen Weg kommen, das waren zumindest die Ankündigungen im Frühjahr sowohl vom ZdK (Zentralkomitee der deutschen Katholiken, Anm. d. Red.) als auch von den Bischöfen. Verbindlichkeit erzeugt der synodale Weg nach diesem Statut aber nicht. Alle Mitglieder der Synodalversammlung haben gleiches Stimmrecht. Es wird dann aber eine doppelte Zweidrittelmehrheit gefordert: eine der anwesenden Mitglieder der Synodalversammlung und darin muss eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder der Bischofskonferenz enthalten sein.

Also gibt es keine Mitbestimmung auf Augenhöhe.

Nein. Und es geht ja noch weiter. Wenn zwei Drittel der Bischöfe mitstimmen, gibt es einen Beschluss. Für den aber gilt laut Statut: „Beschlüsse der Synodalversammlung entfalten von sich aus keine Rechtswirkung. Die Vollmacht der Bischofskonferenz und der einzelnen Diözesanbischöfe bleibt unberührt.“ Damit ist dem Beschluss jede rechtliche Verbindlichkeit genommen. Er hat allenfalls den Charakter eines Rates oder einer Empfehlung.

Warum geht das ZdK dann mit?

Wenn gilt, was im Frühjahr gefordert wurde, müsste das ZdK so konsequent sein und sagen: Ohne echte Beschlussfähigkeit machen wir diesen synodalen Weg nicht mit. Was soll da mehr herauskommen als ein Appell? Und Appelle gibt es genug. Die Themen liegen ja auf dem Tisch, bei denen Veränderungsbedarf besteht. Kein einziger Bischof ist an die Beschlüsse gebunden, selbst wenn sie mit großer Mehrheit gefällt werden.

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Straftäter sitzen in der Schuldenfalle

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  • Beitrag veröffentlicht:9. September 2019
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Geldsorgen im “Knast”: Gefangene mit Langstrafen sind finanziell meist am Ende. Es ist ein Problem, für das sich die Öffentlichkeit kaum interessiert. Dabei führt nur ein wirksamer Schuldenabbau in die Legalität zurück. 

Still und heimlich hat die frühere RAFTerroristin Brigitte Mohnhaupt am 25. März 2007 die Justizvollzugsanstalt im bayerischen Aichach verlassen  nach 24 Jahren Haft. Normal wurde das Leben für sie nicht mehr, nicht nur wegen ihrer Vergangenheit und der Neugier von Menschen und Medien. Wie die meisten “Lebenslänglichen” hat auch Brigitte Mohnhaupt jede Menge Schulden.

Rund eine Million DMark soll der Prozess gegen die früheren RAFTerroristen Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar im Jahr 1985 gekostet haben. Rechnet man die privaten Forderungen all derer zusammen, denen Brigitte Mohnhaupt Schaden und Schmerz zugefügt hat, dann kommt man auf einen Betrag, der “dick in die Millionen Euro geht”, sagt Wolfgang Deuschl, damals Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Aichach: Ermittlungs und Prozesskosten, Schmerzensgeld, Renten, Gutachten. In Aichach hat Mohnhaupt 24 Jahre für die Beteiligung an neun Morden hinter Gittern verbracht.

Ein Totschläger zahlt 150 000 Euro ab

Auch Sebastian F. (Name geändert) trägt den größten Teil seiner Schulden auschließlich wegen seiner Schuld. Mit zwei Mittätern hat er einen Mann erstochen, einen anderen schwer verletzt. Jetzt wohnt der 36jährige verurteilte Totschläger in der Limburger Straße 122 in Diez  in der JVA. Und hat im Monat nur noch 150 bis 200 Euro Gefängnislohn, um einen Berg von etwa 150 000 Euro abzutragen, ohne Zinsen: Privatkredite aus der Zeit vor der Haft, Gerichtskosten, Schmerzensgeld. Dazu soll Sebastian bis 2046 monatlich 600 Euro Unterhalt zahlen  an die Familie des Menschen, den er erstochen hat. Im rheinlandpfälzischen Diez leben 120 Gefangene mit dem Urteil “lebenslänglich”: Wer Schulden hat, steht mit 20 000 bis 150 000 Euro in der Kreide. Und nur wer dabei nicht den Kopf in den Sand steckt, hat eine Chance, wieder aus dem finanziellen Sumpf herauszukommen .

Wie hoch sich der Schuldenberg vor einem der Langstrafenhäftlinge türmt, hängt vor allem von der Tat ab: Bei Gewalt und Tötungsdelikten fordern Opfer und Familien Schmerzensgeld  und Rente, wenn ihnen der Ernährer aus dem Leben gerissen wurde. Die Gerichtskosten steigen mit jedem Verhandlungstag und jedem geladenen Zeugen, mit psychologischen und rechtsmedizinischen Gutachten und den Sicherheitsvorkehrungen, die das Gericht für den Prozess trifft. Allein das hat im Fall Mohnhaupt und Klar Unsummen geschluckt: Bis zum Urteil am 2. April 1985 hatten sieben Berufsrichter an 85 Verhandlungstagen die Verbrechen der Terroristen untersucht, Mohnhaupt hatte fünf, Klar vier Verteidiger. Mindestens 20 Polizisten sicherten den Saal im Oberlandesgericht Stuttgart, plus 10 Gerichtswachtmeister  so weit das Gerichtsarchiv.

Vergleichsweise moderat wirken daneben Sebastians geschätzte 50 000 Euro Gerichtskosten, für 15 Verhandlungstage, für ihn und seine Mittäter. Klagen über seinen Schuldenberg hört man von Sebastian nicht. Er hat seine Lage selbst verursacht, er macht sich nichts vor: “Da kann ich niemand anderen für verantwortlich machen”, sagt er. Trotzdem, der Berg ist erdrückend. “Wenn ich rauskomme, dann fange ich bei Minus an, nicht bei Null.” Dass seine ebenfalls verurteilten Mittäter ihren Anteil abtragen, damit rechnet Sebastian nicht: “Die haben in ihrem Leben noch nie was gearbeitet.”

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