Straftäter sitzen in der Schuldenfalle
Geldsorgen im “Knast”: Gefangene mit Langstrafen sind finanziell meist am Ende. Es ist ein Problem, für das sich die Öffentlichkeit kaum interessiert. Dabei führt nur ein wirksamer Schuldenabbau in die Legalität zurück.
Still und heimlich hat die frühere RAF–Terroristin Brigitte Mohnhaupt am 25. März 2007 die Justizvollzugsanstalt im bayerischen Aichach verlassen – nach 24 Jahren Haft. Normal wurde das Leben für sie nicht mehr, nicht nur wegen ihrer Vergangenheit und der Neugier von Menschen und Medien. Wie die meisten “Lebenslänglichen” hat auch Brigitte Mohnhaupt jede Menge Schulden.
Rund eine Million D–Mark soll der Prozess gegen die früheren RAF–Terroristen Brigitte Mohnhaupt und Christian Klar im Jahr 1985 gekostet haben. Rechnet man die privaten Forderungen all derer zusammen, denen Brigitte Mohnhaupt Schaden und Schmerz zugefügt hat, dann kommt man auf einen Betrag, der “dick in die Millionen Euro geht”, sagt Wolfgang Deuschl, damals Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Aichach: Ermittlungs– und Prozesskosten, Schmerzensgeld, Renten, Gutachten. In Aichach hat Mohnhaupt 24 Jahre für die Beteiligung an neun Morden hinter Gittern verbracht.
Ein Totschläger zahlt 150 000 Euro ab
Auch Sebastian F. (Name geändert) trägt den größten Teil seiner Schulden auschließlich wegen seiner Schuld. Mit zwei Mittätern hat er einen Mann erstochen, einen anderen schwer verletzt. Jetzt wohnt der 36–jährige verurteilte Totschläger in der Limburger Straße 122 in Diez – in der JVA. Und hat im Monat nur noch 150 bis 200 Euro Gefängnislohn, um einen Berg von etwa 150 000 Euro abzutragen, ohne Zinsen: Privatkredite aus der Zeit vor der Haft, Gerichtskosten, Schmerzensgeld. Dazu soll Sebastian bis 2046 monatlich 600 Euro Unterhalt zahlen – an die Familie des Menschen, den er erstochen hat. Im rheinland–pfälzischen Diez leben 120 Gefangene mit dem Urteil “lebenslänglich”: Wer Schulden hat, steht mit 20 000 bis 150 000 Euro in der Kreide. Und nur wer dabei nicht den Kopf in den Sand steckt, hat eine Chance, wieder aus dem finanziellen Sumpf herauszukommen .
Wie hoch sich der Schuldenberg vor einem der Langstrafenhäftlinge türmt, hängt vor allem von der Tat ab: Bei Gewalt– und Tötungsdelikten fordern Opfer und Familien Schmerzensgeld – und Rente, wenn ihnen der Ernährer aus dem Leben gerissen wurde. Die Gerichtskosten steigen mit jedem Verhandlungstag und jedem geladenen Zeugen, mit psychologischen und rechtsmedizinischen Gutachten und den Sicherheitsvorkehrungen, die das Gericht für den Prozess trifft. Allein das hat im Fall Mohnhaupt und Klar Unsummen geschluckt: Bis zum Urteil am 2. April 1985 hatten sieben Berufsrichter an 85 Verhandlungstagen die Verbrechen der Terroristen untersucht, Mohnhaupt hatte fünf, Klar vier Verteidiger. Mindestens 20 Polizisten sicherten den Saal im Oberlandesgericht Stuttgart, plus 10 Gerichtswachtmeister – so weit das Gerichtsarchiv.
Vergleichsweise moderat wirken daneben Sebastians geschätzte 50 000 Euro Gerichtskosten, für 15 Verhandlungstage, für ihn und seine Mittäter. Klagen über seinen Schuldenberg hört man von Sebastian nicht. Er hat seine Lage selbst verursacht, er macht sich nichts vor: “Da kann ich niemand anderen für verantwortlich machen”, sagt er. Trotzdem, der Berg ist erdrückend. “Wenn ich rauskomme, dann fange ich bei Minus an, nicht bei Null.” Dass seine ebenfalls verurteilten Mittäter ihren Anteil abtragen, damit rechnet Sebastian nicht: “Die haben in ihrem Leben noch nie was gearbeitet.”