USA: Evangelikales Magazin wendet sich gegen Trump

Das Gesicht des US-Präsidenten Donald Trump in Form des Twitter-Logos.
Falschdarstellung, Lüge, Verleumdung per Twitter: Das (und noch mehr) wirft der evangelikale Journalist Mark Galli US-Präsident Trump vor.

In den USA tobt ein Meinungskampf unter den evangelikalen Christen. Auslöser war ein Artikel in dem Magazin „Christianity Today“. Darin äußert sich Chefredakteur Mark Galli kritisch über US-Präsident Donald Trump und spricht sich dafür aus, ihn des Amtes zu entheben.

Bisher standen die weißen, evangelikalen Christen in den USA treu und geschlossen zu Trump. In den USA hatte der Beitrag in dem evangelikalen Magazin “Christianity Today” (CT) die Wirkung eines Paukenschlages: Zeitungen und TV-Sender berichteten über die erste derart deutliche Kritik aus dem evangelikalen Lager am amerikanischen Präsidenten. Der bisherige Chefredakteur Mark Galli macht deutlich, es sei an der Zeit dies auszusprechen, weil der Charakter des Präsidenten offenbar geworden sei. Das Magazin gehört zu den einflussreichen Medien der evangelikalen Christen in den USA.

200 Leiterinnen und Leiter widersprechen
In einem öffentlichen Brief gingen kurz daraufhin 200 evangelikale Leiterinnen und Leiter auf Distanz zu Mark Galli. Sie verwahrten sich gegen Gallis Einschätzung, dass sie mit ihrer Unterstützung von Trump politisch „weit rechts“ stehen würden, wie Galli in einem Interview mit dem Fernsehsender CNN erklärte. Mit seinen Äußerungen stelle Galli die Integrität vieler Millionen Gläubiger in Frage.

“Wir sind vielmehr bibelgläubige Christen und patriotische Amerikaner”, so die Erklärung der Leiterinnen und Leiter, “die schlichtweg dankbar sind, dass unser Präsident unseren Rat erbeten hat, als seine Administration politische Schritte unternommen hat, um die Ungeborenen zu schützen, die Religionsfreiheit zu sichern, das System unserer Strafjustiz zu reformieren, arbeitende Familien durch bezahlte Familienzeit zu stärken, die Freiheit des Gewissens zu bewahren, Eltern-Rechten Priorität einzuräumen und dafür zu sorgen, dass unsere Außenpolitik unseren Werten entspricht und unterdessen unsere Welt sicherer macht, einschließlich durch unsere Unterstützung des Staates Israel.”

Christen müssen wieder lernen zuzuhören und zu diskutieren
Der Präsident von CT, Dr. Timothy Dalrymple, äußerte sich ebenfalls nach Gallis Veröffentlichung, auf die das Magazin viele zustimmende und kritische Reaktionen erhielt. Er brachte seine Wertschätzung für Galli zum Ausdruck und machte deutlich, dass es im Redaktionskreis verschiedene Meinungen gebe und jeder seine Meinung unter seinem Namen veröffentliche. Es sei allerdings ein Zeitpunkt erreicht, an dem man über die Situation im Land nicht mehr schweigen könne. Wichtig sei, dass Christen wieder lernten, zuzuhören und zu diskutieren.

Das Logo des einflussreichen evangelikalen US-Magazins "Christianity Today".
Das Magazin “Christianity Today” zählt zu den einflussreichen Medien evangelikaler Christen in den USA.

“Hyper-Politisierung” der Kirche in Amerika
Die eigentliche “Krankheit”, so Timothy Dalrymple, sei die „Hyper-Politisierung“ der Kirche in Amerika und Trump nur das Symptom dieser Krankheit. Diese Gefahr betreffe alle Christen, ganz gleich welchem Bereich des politischen Spektrums sie sich zuordneten. Jesus habe geboten, man solle dem Kaiser geben, was des Kaisers ist, aber viele gingen darüber hinaus und müssten sich fragen lassen, ob ihre bedingungslose Loyalität wirklich Jesus gehöre.

Es sei eine Sache, politische Leistungen zu loben, doch etwas ganz anderes, den offensichtlichen Missbrauch der Macht zu leugnen und zu entschuldigen. Die evangelikale Allianz mit der Präsidentschaft Trumps habe, so Dalrymple, das christliche Zeugnis im In- und Ausland beschädigt. Die damit verbundenen Kosten seien zu hoch. Denn mit ihnen als evangelikalen Christen würde man auch Trumps “grassierende Unmoral, Gier und Korruption, Spaltung und Rassenhetze” verbinden.

Amerikanische Evangelikale seien keine Lobbygruppe der Republikaner. “Wir sind eine vielfältige Bewegung, die mit politischen Parteien zusammenarbeiten sollte, wenn es vernünftig ist, doch immer mit etwas Abstand, mit prophetischer Distanz, um, wie Martin Luther King es nannte, das ,Gewissen des Landes’ zu sein”, erklärte Dalrymple.

Die politische Landschaft, so Timothy Dalrymple, sei geprägt von Polarisation, Feindseligkeit und Missverständnissen. Evangelikale aller Couleur dürften sich nicht weiter daran beteiligen, sich gegenseitig niederzuschreien und die zu drangsalieren, die anders denken, oder einander auszugrenzen und sich weigern, einander zuzuhören.

Amtsenthebungsverfahren eröffnet – Amtsenthebung aber sehr unwahrscheinlich
Am 18. Dezember beschloss das Repräsentantenhaus, ein förmliches Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten einzuleiten. Trump wird vorgeworfen, sein Amt missbraucht und den Kongress bei seinen Ermittlungen gegen ihn behindert zu haben. Eine tatsächliche Amtsenthebung gilt aber als sehr unwahrscheinlich, weil die Republikaner im Senat die Mehrheit haben und hier eine Zwei-Drittel-Mehrheit für einen Beschluss nötig ist.

Gegen die Verfassung und „zutiefst unmoralisch“
In seinem Kommentar in CT warf Mark Galli Präsident Donald Trump vor, einen “ausländischen Führer” (gemeint ist der ukrainische Präsident) gezwungen zu haben, gegen einen seiner politischen Gegner (es geht um Joe Biden, der sich um die Präsidentschaft bewirbt) vorzugehen. Das sei ein Verhalten, dass sich gegen die Verfassung richte und „zutiefst unmoralisch“ sei. Galli spricht wiederholt vom „unmoralischen Charakter des Präsidenten“. Trump habe es sich zudem zur Gewohnheit gemacht, Dinge auf Twitter falsch darzustellen, zu lügen und andere zu verleumden. Er sei ein „nahezu perfektes Beispiel für einen moralisch verlorenen und verwirrten Menschen“.

Glaubwürdigkeit der Christen geht verloren
Galli argumentiert, dass sich die Unterstützer Trumps fragen lassen müssten, wie dies auf Ungläubige wirke. Es beeinträchtige das Zeugnis für Jesus, den Herrn und Retter. Wer Trump unterstütze, verliere die Glaubwürdigkeit, sich später einmal zu Fragen der Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit zu äußern.

Donald Trump: Magazin ist links und hat keine Ahnung
Trump reagierte in einem Tweet herablassend und mit scharfer Kritik auf den Artikel. Mit Blick auf die Vorwürfe gegen ihn im Zusammenhang mit der Ukraine-Affäre und seinem Telefonat mit dem ukrainischen Staatspräsidenten sagte Trump, dass „Christianity Today“ keine Ahnung davon habe, inwieweit die Telefon-Kommunikation in Ordnung und angemessen gewesen sei.

Es habe keinen Präsidenten gegeben, der mehr für die evangelikale Gemeinschaft getan habe als er. Trump qualifizierte „Christian Today“ als eine „sehr linke“ Publikation ab, die die Demokraten unterstütze und seit Jahren nichts mit der Familie Graham zu tun habe. Er werde das Magazin künftig nie mehr lesen.

Billy Graham gründete „Christianity Today”
Das Magazin „Christianity Today“ wurde von dem Evangelisten Billy Graham gegründet, der im Februar 2018 verstarb. Sein Sohn Franklin ist ein langjähriger Unterstützer Trumps und hält alle Vorwürfe gegen ihn für Lügen. Er wies darauf hin, dass sein Vater Trump unterstützt und gewählt habe. Franklin Graham lobte in einem Tweet zum Leitartikel in CT, dass Trump sich für die Religionsfreiheit engagiere wie kein anderer Präsident.

Viele weitere evangelikale Leiterpersönlichkeiten in den USA machten deutlich, dass sie die in „Christianity Today“ geäußerte Kritik an Präsident Donald Trump nicht teilen und weiter zu ihm stehen. So ist der Meinungsartikel des Chefredakteurs von CT bisher eine Einzelstimme.

Mark Galli hatte bereits am 7. Oktober angekündigt, dass er nur noch bis 3. Januar 2020 Chefredakteur von CT sein werde. Galli war 30 Jahre lang Mitarbeiter von CT, die letzten sieben Jahre als Chefredakteur.

Trumps Kampf für die „Religionsfreiheit“
Unter dem Kampf für Religionsfreiheit verstehen rechte Evangelikale nicht nur das Eintreten für die freie Religionsausübung. Sie verbinden damit auch die Erwartung, dass Kirchengemeinden sich künftig mit ihren Ressourcen (Geld, Mitarbeiter und Predigt) für einen politischen Kandidaten einsetzen dürfen. Nach jetziger Rechtslage ist das den Gemeinden verboten. Im Falle eine Zuwiderhandlung droht ihnen der Entzug der Gemeinnützigkeit.

Es ist die Absicht der rechten Evangelikalen, dass sich durch eine Veränderung der Gesetzeslage viel mehr Unterstützung für die republikanische Partei aus dem evangelikalen „Lager“ akquirieren lasse. Gemeinden könnten dann Werbung machen und Predigten zugunsten von Kandidaten halten. Sehr erfolgversprechend ist das Vorhaben aber nicht, denn in den USA gilt eine strikte Trennung zwischen Kirche und Staat.

Im Kalkül einiger christlicher Meinungsführer, zu denen wohl auch Franklin Graham gehört, wäre dies die Chance für evangelikale Christen, direkten politischen Einfluss auszuüben. Donald Trump hat sich diese Forderung zu eigen gemacht, weil er auf eine dauerhafte Unterstützung evangelikaler Gemeinden für ihn selbst wie für andere republikanische Kandidaten hofft.

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