Der Druck, der auf der katholischen Kirche lastet, ist übermächtig: Missbrauchsskandal, Verlust der Glaubwürdigkeit, Mitgliederschwund, Reformstau. Die “heißen Eisen” wollen Bischöfe und katholische Laien jetzt gemeinsam anpacken, auf einem “synodalen Weg”. Schon vorab scheiden sich an diesem Vorhaben die Geister: Was wird der synodale Weg ausrichten können – und was nicht?
Die katholische Kirche in Deutschland hat sich auf den „synodalen Weg“ gemacht. Gemeint ist ein Prozess, der Geweihte (Kleriker) und Ungeweihte (Laien) in vier Foren zusammenbringt. Nach monatelanger Vorbereitung wird dort ab dem 1. Advent über Macht und Gewaltenteilung, Zölibat, Sexualmoral und die Rolle der Frau in der Kirche diskutiert. Auslöser für dieses auf zwei Jahre angelegte Format sind vor allem die Missbrauchsvorwürfe, die die Kirche seit Jahren erschüttern. Der Handlungsdruck nach Veröffentlichung der sogenannten MHG-Studie zum Missbrauch in der Kirche ist groß. Aber hat der synodale Weg die Kraft zu Reformen?
In universal geltendes Kirchenrecht kann er ohnehin nicht eingreifen. Fragen zu Zölibat und Sexualmoral oder zur Öffnung von Weiheämtern für Frauen sind Sache der katholischen Weltkirche und könnten nur in Rom und nicht von einer deutschen Teilkirche entschieden werden. Jede Spekulation darüber hat Kardinal Reinhard Marx als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) beendet. „Abenteuerlich“ nannte er die Vorstellung von einem Sonderweg der Kirche in Deutschland.
Frauen sollen an der Macht teilhaben
Welche Themen aber bleiben? Frauen in Diensten und Ämtern, die keiner Weihe bedürfen, als Predigende in der Messe, in Leitungspositionen eines Bistums – all das kann sich Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees deutscher Katholiken (ZdK) und damit ranghöchster katholischer Laie, im Gespräch mit „Kirche + Leben“ vorstellen. Auch Kardinal Marx will Frauen an der Macht in der Kirche beteiligen – außerhalb der Weiheämter: „Die ,Ministerien’ im Vatikan können ohne weiteres von Frauen geleitet werden, warum nicht?“, sagte er auf dem evangelischen Kirchentag in Dortmund. Finanziell gibt es auch Spielräume: Denn wie die Kirchensteuer verwendet wird, verantwortet jeder Bischof selbst – das geht ohne Rom. Wo auf dem synodalen Weg aber tatsächlich konkrete Schritte getan werden, ist abzuwarten.
Kritiker fürchten: Es bleibt beim Appell
Nicht zuletzt bleibt er ohne eigene Durchschlagskraft. Reden mag in den vier Foren auf Augenhöhe geschehen, entschieden wird am Ende hierarchisch – die katholische Kirche ist keine demokratische Institution. Zum Abschluss der Vollversammlung der DBK am 26. September in Fulda steckte Marx den Rahmen ab. Wird über ein Thema abgestimmt, wiegen die Ansichten der Bischöfe schwerer als die der Nichtkleriker. Denn jeder mit Zweidrittelmehrheit gefällte Beschluss muss eine Zweidrittelmehrheit der Geistlichen enthalten. Sind solche Entscheidungen gefällt, bewirken sie alleine jedoch nichts. So steht es in der Satzung des synodalen Wegs, die Ende Oktober veröffentlicht worden ist.
Denn kein Beschluss des synodalen Wegs steht über der Bischofskonferenz oder dem einzelnen Diözesanbischof. Erst der Bischof vor Ort schafft verbindliches Recht. „Das ist so im kanonischen Recht“, sagt Marx. „Daran gab es nie einen Zweifel.“ Das aber stellt für Kritiker das ganze Unternehmen infrage. „Was soll da mehr herauskommen als ein Appell?“, sagt Bernhard Sven Anuth, Professor für Kirchenrecht an der Universität Tübingen. „Und Appelle gibt es genug. Die Themen liegen ja auf dem Tisch, bei denen Veränderungsbedarf besteht.“
Impulse für die Weltkirche?
Konkrete Ergebnisse hatte ZdK-Präsident Thomas Sternberg zu Beginn der Vorbereitungen im Frühjahr immer wieder eingefordert. Nur dann würde das ZdK am synodalen Weg teilnehmen. Mittlerweile gibt er sich optimistischer. Er setzt darauf: Hat ein Bischof auf dem synodalen Weg mit „ja“ gestimmt, wird er diesen zunächst unverbindlichen Beschluss wohl auch in seiner Diözese umsetzen. Dass das dann möglicherweise nicht alle Bischöfe sind, nimmt er in Kauf. Ob am Ende gar ein Impuls aus Deutschland für die Weltkirche ausgehen kann? Sternberg und Marx halten das für möglich: Wenn vom synodalen Weg ein einiges Votum nach Rom gesendet werden kann. Ein Votum, über das wiederum der Papst frei entscheidet.
Tief sitzt jedenfalls bei vielen die Enttäuschung, seit der nach 2010 initiierte Gesprächsprozess praktisch ohne Folgen blieb. 2010 war der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche öffentlich geworden und hatte immer größere Kreise gezogen. Katholiken im ganzen Land hoffen jetzt, dass sich mit Taten füllt, was Kardinal Marx im Frühling 2019 sagte: „Wir sehen und hören Sie. Ihre Kritik, Sorgen, Nöte, Zweifel und Ihre Forderungen. Ich sage Ihnen aufrichtig: Wir haben es verstanden.“ Ganz sicher wissen alle, Kritiker des synodalen Wegs wie Optimisten, derzeit wohl nur eins: Reden, das reicht schon lange nicht mehr aus.