Der „Gesalbte Gottes“ steht zur Wahl

Offizielles Porträt Donald Trump, Präsident USA, whitehouse.gov
Donald Trump, offizielles Foto des Weißen Hauses. Foto: whitehouse.gov

Weiße evangelikale Christen sind die treueste Wählergruppe des US-Präsidenten Donald Trump. 2016 gaben 81 Prozent von ihnen dem Republikaner ihre Stimme. Ihr Wahlverhalten wird entscheidend dafür sein, ob Trump vier weitere Jahre regieren wird. Bis zum 29. Oktober haben bereits 80 Millionen Amerikaner ihre Stimme abgegeben – ein Rekord! Es zeigt, wie stark die Wähler im Land mobilisiert sind.

In den USA gibt es etwa 62 Millionen Evangelikale, darunter auch nicht-weiße. Das entspricht einem Bevölkerungsanteil von 25 Prozent. Es ist die größte Glaubensgruppe des Landes (in verschiedenen Denominationen), noch vor Katholiken (22 Prozent) und anderen protestantischen Kirchen (15 Prozent).

Einige Entscheidungen Trumps entsprechen ganz dem Willen seiner evangelikalen Wähler: An oberster Stelle sind es die Erschwerung der Abtreibung, die unbedingte Unterstützung Israels und die Ernennung von konservativen Richtern.

Trump besetzte in den letzten Jahren über 200 der 850 Stellen von Bundes-, Bezirks- und Berufungsrichtern neu. Durch mittlerweile drei Ernennungen für den Obersten Gerichtshof gelang es ihm, in dem höchsten Gericht eine konservative Mehrheit zu schaffen. Ein Anliegen, das den Evangelikalen besonders wichtig war. Zuletzt bestätigte der US-Senat Amy Coney Barrett am 27. Oktober – die Jura-Professorin kommt aus der charismatischen Erneuerung in der katholischen Kirche. Dass Trump so viele Richterstellen besetzen konnte, lag auch daran, dass die republikanische Mehrheit im Senat Richterernennungen unter Präsident Obama blockierte.

Religiöse Freiheit und weniger Einwanderung

Nur wenige Monate im Amt, erließ Trump eine Anordnung zur „Förderung der freien Rede und der religiösen Freiheit“. Bis dahin empfanden viele evangelikale Gläubige die Politik von Präsident Obama als Angriff auf ihren Glauben und ihre Werte. Weiter konnte Trump bei den Evangelikalen mit seiner Politik gegen Einwanderung und einen Bann für Einreisen von Muslimen punkten. Zudem wurden die Rechte von Nicht-Heterosexuellen eingeschränkt.

Schließlich stellte sich Trump demonstrativ an die Seite Israels, erkannte Jerusalem nicht nur theoretisch als Hauptstadt an, sondern verlegte im März die US-Botschaft dorthin. Er erkannte die Souveränität Israels über die Golanhöhen an, die Israel 1968 von Syrien eroberte, und stellte sich unerbittlich und konfrontativ gegen den Iran. Zudem lehnte er es ab, weiter für eine Zwei-Staaten-Lösung im Blick auf Israel und einen Palästinenser-Staat einzutreten. Erst vor wenigen Tagen erließ er eine Verfügung, wonach US-Gelder nicht nur dem Staat Israel, sondern auch den Siedlungen zugutekommen.

Evangelikale Christen in den USA sehen ihr Land schon seit vielen Jahren auf einem gottlosen Weg. Trump ist für sie der Politiker, der etwas dagegen tut, dass sich die amerikanische Gesellschaft immer weiter von den Geboten Gottes entfernt. Für sie ist er ein Fürsprecher und Kämpfer für ihre Interessen, auch wenn er mit seiner Lebensführung augenscheinlich nicht dafür steht.

Donald Trump – ein moderner Kyros?

Kyros II., Begründer des Perserreiches, nach einem alten iranischen Gemälde.
Kyros II., Begründer des Perserreiches, nach einem alten iranischen Gemälde.

Dennoch sehen sie in ihm ein „Werkzeug Gottes“. Für sie ist das kein Widerspruch, weil es Männer gebe, die zwar gottlos sind, aber trotzdem von Gott benützt würden, so wie der persische König Kyros – ein Beispiel aus dem Alten Testament. Kyros hatte die Juden aus dem Exil entlassen, ihnen den Wiederaufbau Jerusalems und des Tempels ermöglicht und sie dabei unterstützt.

Und tatsächlich zeigte diese Argumentation bei vielen Evangelikalen auch Wirkung. Auch wenn einige Evangelikale seit etwa einem Jahr Trump abgesetzt sehen wollen, wird die große Mehrheit der weißen Evangelikalen ihn auch dieses Jahr wieder wählen.

Je gläubiger, desto eher für Trump

Etliche evangelikale Vertreter in den USA bezeichnen Trump im Sinn des zitierten Verses als „Gesalbten Gottes“. Und je stärker die Bindung von Christen an eine Gemeinde und den Glauben ist, desto stärker stimmen sie der Einschätzung zu, dass Trump der „Gesalbte Gottes“ ist, wie Studien des Politikwissenschaftlers Paul Djupe belegen. Die Bezeichnung wird nicht nur von politisch rechts stehenden evangelikalen Leitern wie Franklin Graham und Jim Bakker benutzt, sondern auch von vielen weiteren christlichen Leitern, republikanischen Politikern und konservativen Journalisten. Anlässlich der Einweihung der US-Botschaft in Jerusalem im März bezeichnete selbst Ministerpräsident Benjamin Netanjahu seinen Amtskollegen und Freund Donald Trump als einen Kyros.

Münze zeigt Kyros und Trump

So wird in den USA eine Münze vertrieben, die die Profile von Kyros und Trump zeigt. Auf der Rückseite ist das Wort des Propheten Jesaja über Kyros zu lesen: „Gott hat Kyros für eine besondere Aufgabe erwählt: Er wird ihn an seiner rechten Hand nehmen und ihm zum Sieg über viele Völker verhelfen …“ (Die Bibel, Buch des Propheten Jesaja, Kapitel 45, Vers 1).

 

Kommentar: Keine Überhöhungen

Der Zweck der Analogie Kyros-Trump ist offensichtlich. Er soll die Evangelikalen, die Trumps Lebens- und Regierungsstil nicht gut finden, bei der Stange halten. Warum also ein „frommer Mantel“ wie „Werkzeug“ und „Gesalbter Gottes“? Natürlich, um die evangelikalen Christen für Trump zu mobilisieren. Eine solche Überhöhung gab es unter Evangelikalen auch, als der Krieg gegen den Irak geführt wurde und sich manche amerikanische Prediger dazu verstiegen, die US-Soldaten als Kämpfer und Engel des Lichts zu bezeichnen. Vermutlich zeitgleich zu den staatlich legitimierten Folterungen in Auslandsgefängnissen und in Abu Ghraib.

Es lässt sich nachvollziehen, dass Christen in Trump jemanden sehen, der ihre Interessen vertritt. Aber Bezeichnungen wie „Werkzeug Gottes“ und „Gesalbter Gottes“ entziehen ihn jeder Sachkritik und sind religiöse Überhöhungen.

Doch solche Überhöhungen machen blind für die Wirklichkeit und verstellen den Blick. Doch vermutlich ist genau das die Absicht derer, die Trump einen „Gesalbten“ nennen.

 

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