Redet frei – und das mit Anstand

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Das geht doch auch anders: zuhören, hinsehen, sprechen.

Linksautonome fackeln Autos von konservativen Christen ab und schmieren Farbe an Kirchengebäude. Rechtsradikale bedrohen den EKD-Vorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm wegen eines Rettungsschiffs im Mittelmeer mit dem Tod. Morddrohungen auch an WDR-Redakteure wegen der „Umwelt-Sau“-Satire und an den früheren BR-Journalisten Rainer Gutjahr. Im Netz derbe und gröbste Beleidigungen. Was ist nur los in Deutschland? Und was ist zu tun? Ein Plädoyer für Meinungsfreiheit und Anstand von Eva Heuser.

Kommentarbild Zwei Köpfe - Nachrichten aus Zeitgeschehen, Religion und Recht, Eva HeuserDeine Meinung darfst Du sagen, aber Du darfst keinen beleidigen. Doch ganz so einfach, wie man Kinder oft glauben machen will, scheint es nicht zu sein. Üble Beschimpfungen auf Facebook muss sich die Grünen-Politikerin Renate Künast nach Meinung des Berliner Landgerichts zumindest teilweise gefallen lassen, weil es vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei. Nicht generell, so das Gericht, aber in diesem ganz speziellen Fall (Politiker, öffentliches Aufreger-Thema) schon. Betrachtet man das ganze Hin-und-Her dieser Geschichte,  erkennt man schnell, wie schwer sich das Gericht seine Entscheidungen gemacht hat. So viel Gewicht hat das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung in Deutschland.

Die Bewertung im Fall Künast steht in krassem Gegensatz zu einer Sorge, die die große Mehrheit der Deutschen teilt: Man könne seine Meinung aus Angst vor Konsequenzen öffentlich nicht mehr frei äußern, laut Allensbach-Studie zumindest nicht zu Themen wie Flüchtlinge, Islam, Drittes Reich, Juden, Homosexuelle und Diverse, Patriotismus, AfD.

Mancher fürchtet die “rechte” Schublade – und richtet sich dann dort ein

Meinungsfreiheit, Zwei Köpfe- Nachrichten aus Zeitgeschehen, Religion und Recht, Eva Heuser, Norbert AbtWas auffällt: All das sind Themen, wo Menschen fürchten, als „rechts“ verortet zu werden – „rechts“ mehr im Sinne von „rechtsextrem“. „Dann bin ich halt ein Nazi“, sagte einmal ein Mann aus Hessen resigniert, der auf der Höhe der Flüchtlingskrise den Bruch der Dublin-Verordnung beklagte. Mittlerweile hat er sich gut abgeschottet in seiner Nachrichtenblase und glaubt an eine Verschwörung gegen Deutschland und die Invasion der Fremden. Ein anderer, studiert und Christ, ist AfD-Mitglied geworden, weil er seine konservativen Werte nirgendwo mehr sonst vertreten sah. Einige Freunde haben sich daraufhin von ihm abgewandt.

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Transparenz in der katholischen Kirche: Bitte jetzt keinen Applaus!

Die Meldung hat hohe Wellen geschlagen: Vor wenigen Tagen hat Papst Franziskus verfügt, dass kirchliche Strafverfahren bei Missbrauchsfällen nicht mehr der Geheimhaltung unterliegen. Das sogenannte „päpstliche Geheimnis“ ist damit für diese Fälle abgeschafft: Für Polizei und Staatsanwaltschaft wird es deutlich einfacher, auf Kirchenakten zuzugreifen. Ein Kommentar von Eva Heuser.

Papst Franziskus hat wichtige Schlupflöcher für Sexualstraftäter wie Vertuscher im kirchlichen Getriebe geschlossen. Doch wirft die jüngste Entscheidung des Papstes, das „päpstliche Geheimnis“ für Fälle sexuellen Missbrauchs abzuschaffen, auch wieder einmal ein Schlaglicht auf die dunklen Seiten der Kirche: auf das, was bisher möglich war. Auf die Selbstherrlichkeit, den Narzissmus, die Feigheit und menschliche Schwäche im Klerus, die ein System ermöglicht hat, dessen Erhalt für einige seiner Mitglieder höchste Priorität hatte und die dafür in Kauf genommen haben, die schwächsten Glieder der Kirche im Stich zu lassen.

Verschärft wird das kirchliche Strafrecht jetzt dort, wo es um kinderpornografische Darstellungen geht, um deren Besitz und Verbreitung. Die Altersgrenze für Opfer wird bis zur Volljährigkeit erhöht, zuvor lag sie bei 14 Jahren. Deutlich verschärft hat Papst Franziskus das Kirchenrecht auch schon in seinem Juni-Dekret „Ihr seid das Licht der Welt“, weil zum ersten Mal neben sexuellem Missbrauch auch das Vertuschen dieser Taten strafbar wurde. Verschärft wurde das Kirchenrecht gleichzeitig durch die Meldepflicht an kirchliche Vorgesetzte. All das ist gut, wichtig und richtig.

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Nicht Störer, sondern Totengräber!

Ein Kommentar von Norbert Abt

Mitte Oktober hinderten linke Aktivisten den ehemaligen Innen- und Verteidigungsminister Thomas de Maizière daran, eine Lesung beim Literaturherbst in Göttingen zu halten. Wenig später störten Studenten in der Hamburger Universität den AfD-Gründer Bernd Lucke, der seine Volkswirtschafts-Vorlesung halten wollte. Zurzeit kann Lucke seine Vorlesung nur unter Polizeieinsatz halten.

Mehr als Übermut
Man kann diese Vorkommnisse als Beispiel für engagierten und übermütigen studentischen Widerstand halten. Doch andere nicht zu Wort kommen zu lassen ist undemokratisch, selbst wenn es in dem moralischen Gewand daherkommt, man kämpfe für gute Ziele und die Demokratie. Doch das rechtfertigt solche Aktionen nicht. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier machte dazu deutlich: „Was wir gewiss nicht brauchen sind aggressive Gesprächsverweigerung, Einschüchterung und Angriffe.“ Dies gelte für Politiker ebenso wie für „umstrittene Professoren in Hörsälen“.

Bärendienst für die Demokratie
Das Verhalten der Aktivisten und Störer ist eine Form von Gewalt, die den Andersdenkenden nicht zu Wort kommen lässt. Das ist ein Bärendienst für eine gesellschaftliche Demokratie. Diejenigen, die hier Lesungen und Vorlesungen unmöglich gemacht haben, sind keine Verteidiger, sondern Totengräber der Demokratie.

Zumal im Fall Lucke noch etwas ganz anderes eine Rolle spielt: Hier hat ein ordentlich berufener und angestellter Professor seinen Lehrdienst wieder aufgenommen. Da geht es nicht um Politik. Es wäre vielmehr Sache linker studentischer Gruppen im Asta oder anderen Gremien der Universität, ihre Opposition deutlich zu machen und in diesem Rahmen für ihre Überzeugungen zu kämpfen.

Dass man mit den politischen Einstellungen von de Maizière und Lucke nicht einverstanden ist, ist eine Sache, dass man sie mit allen Mitteln am Reden hindert, eine ganze andere. Denn es ist destruktiv und intolerant, Menschen am Reden zu hindern.

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