Weihnachten – da geht es um Krippe, Stall und Hirten – ein ärmliches wie stimmungsvolles und unendlich oft dargestelltes und besungenes Geschehen. Einen ganz anderen Zugang zur Geburt von Jesus vermittelt der Evangelist Matthäus, der den Besuch der Sterndeuter (wörtlich „Magier“) bei dem Neugeborenen beschreibt. Ein Stern hatte sie aus der Ferne in die jüdische Provinz geführt. Hier ist das Jesus-Kind im Zentrum eines himmlischen, eines kosmischen Ereignisses.
Frage nach der Entstehung der Welt
Der Kosmos, seine Entstehung und der Beginn des Lebens – das sind bis heute große Fragen der Wissenschaft. So startete am 25. Dezember eine Ariane-Rakete mit dem Teleskop James Webb vom europäischen Weltraum-Bahnhof Kourou in Französisch-Guayana. Forscher wollen entscheidende Erkenntnisse darüber gewinnen, wie das Universum entstand. Es entbehrt dabei nicht eines gewissen Witzes, dass am Tag der Geburt von Jesus – beziehungsweise des Gedenkens an die Geburt Jesu, am 25. Dezember – die Rakete mit dem Teleskop aufstieg, um die Geburt des Universums zu erkunden.
Über 30 Jahre entwickelten die NASA, die europäische ESA und die kanadische Raumfahrtagentur gemeinsam das bislang leistungsstärkste Teleskop James Webb, das zehn Jahre später als geplant fertig wurde und zehn Milliarden Dollar kostete.
In sechs Monaten kommen die ersten Bilder
Nach dem gelungenen Start der Ariane-Rakete ist das Teleskop auf dem Weg in eine 1,5 Millionen Kilometer-Umlaufbahn um die Sonne. In etwa sechs Monaten erwarten die Wissenschaftler erste Bilder. Das Weltraumteleskop mit seinem 25 Quadratmeter großen Spiegel wird von einem Kontrollzentrum in der Nähe von Washington gesteuert. Es soll Bilder von den Anfängen des Universums (und den ersten Galaxien nach dem Urknall) liefern. Nach der Urknall-Theorie entstand das gesamte Universum vor etwa 13,8 Milliarden Jahren aus einem vermutlich tennisballgroßen und unendlich heißen Gebilde aus Energie. Explosionsartig dehnte sich dieses Gebilde (bis heute) aus und so entstanden Materie, Raum und Zeit.
Antike Götter und Planeten erzittern
Für den großen irischen Schriftsteller und Literaturwissenschaftler Clive Staples Lewis (1898-1963) war alles Lebendige Ausdruck von „Gottes fruchtbarer Schöpferkraft“. Er bekannte einmal: „Christen glauben, dass Gott die Welt erdachte und erschuf, wie ein Künstler ein Bild erschafft oder eine Melodie komponiert.“
In seinem Gedicht „The Turn of the Tide“ ist die Geburt des Gottessohns in Bethlehem ein machtvolles Ereignis, das die Galaxien erschütterte, ein Geschehen, auf das die Sternbilder mit „Schrecken“ und „Freude“ reagierten. Saturn, gemeint ist der Planet und der römische Gott, so Lewis, „lachte und verlor sein Eis, so dass er nicht mehr fror“. Der Gottessohn lässt die antiken Götter und die Planeten erzittern.
Wahrheiten in die „Köpfe schmuggeln“
Lewis schuf fiktionale Texte, um tiefe christliche Wahrheiten verständlich zu vermitteln und in die Köpfe seiner Leser „zu schmuggeln“, wie er es in einem Brief zum Ausdruck brachte. Sein heute bekanntestes Werk sind die Narnia-Chroniken. In der Perelandra-Trilogie beschrieb er allegorisch den Sündenfall. Doch von den etwa 60 Rezensenten seines ersten Teils der Trilogie erkannten nur zwei, wie viel Christentum dort impliziert war. Lewis bereitete das sichtlich Vergnügen.
Grenzen der Vernunft
Auch als scharfsinniger Denker und Mann der Vernunft lehnte Lewis Mythen keineswegs ab. Für ihn enthielten sie weit mehr Wahrheit als ein rein vernunftbasiertes Denken mit seinen Schlussfolgerungen. Für Lewis transportierte deshalb auch reine Fiktion Wahrheit. Er selbst kam nach einem Prozess zum Glauben, während dessen er die Grenzen des Vernunftdenkens erkannte, weil es nicht alle Wirklichkeit und Wahrheit erfassen konnte.
Besondere Konstellation am Himmel
Dass die Geburt von Jesus ein kosmisches Ereignis war, davon ist auch der Theologe und frühere Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Dr. Carsten Rentzing, überzeugt. In einer Predigt zu Weihnachten sagte er: „Seit dieser Geburt (von Jesus) ist das Universum nicht mehr wie zuvor.“ Der Altbischof sieht, wie viele andere auch, in der großen Konjunktion der Planeten Jupiter und Saturn im Jahr 7 v.Chr. den Stern von Bethlehem.
Diese besondere Planetenkonstellation ereigne sich nur etwa alle 800 Jahre: die große Konjunktion der Planeten Jupiter und Saturn im Sternbild Fische. Der Planet Jupiter stand in der damaligen Zeit in der Vorstellung der Babylonier für den Weltherrscher, der Planet Saturn für das Volk Israel und das Sternbild Fische für den Westen, so Rentzing. Babylon liegt im heutigen Irak. So ließe sich die ungewöhnliche Konstellation mit folgender Aussage „übersetzen“: „Ein großer König wird im Volk Israel im Westen geboren.“
Die Weisen (wörtlich Magier) aus dem biblischen Bericht, so die Ausführungen des Theologen, seien Sternenkundige aus Babylon gewesen, die diese seltene Planetenkonstellation beobachteten und sich aufmachten, den neuen Weltherrscher kennenzulernen. Im Matthäusevangelium werden sie mit diesen Worten zitiert: „Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, ihn anzubeten.“
Die Einschätzung, dass der Stern von Bethlehem die Konjunktion von Jupiter und Saturn war, ist durchaus umstritten. Kritiker bringen vor, dass die Nähe der Planeten zum einen nicht so extrem gewesen sei, dass sie in der Beobachtung zu einem Stern (von Bethlehem) verschmolzen. Zudem sei nicht belegt, dass die babylonischen Astronomen von der Konjunktion und ihrer Bedeutung wussten.
Christus – Zentrum des Universums
Demgegenüber betonte der sächsische Altbischof, dass er die Nähe von Jupiter und Saturn für den in der Bibel erwähnten Stern von Bethlehem halte, der die Sternenkundige beeindruckte und zu ihrer Reise motivierte: „Wir sollten an den Stern von Bethlehem und damit an Jesus denken, unseren Herrn und Heiland, denjenigen, der die Welt, das Universum, völlig neu sortiert hat. Denn Christus ist das Zentrum des Universums.“
Die Sterndeuter aus Babylon hätten nicht nur um das Ereignis der Geburt eines Weltherrschers gewusst, sondern sich auch selbst aufgemacht, um ihn kennenzulernen. Ganz im Gegensatz zu den Gelehrten am Hof von König Herodes, die zwar auch um die Vorhersagen eines Herrschers und Messias wussten – sie gaben den Sterndeutern den Hinweis von Bethlehem als Geburtsort –, aber sie seien mit ihrem Wissen nicht aktiv geworden.
Jesus – das Heil für die ganze Welt
Der Evangelist Matthäus, so der Altbischof weiter, wolle mit seiner Darstellung des Wirkens von Jesus vermitteln, dass das Heil der Welt von den Juden komme, sich aber nicht auf sie beschränke. „Das Heil kommt zwar von den Juden, aber es sprengt alle Grenzen und ist für die ganze Welt.“ Es gehe dem Evangelisten darum, die Universalität des Heils zu vermitteln und zu zeigen, dass sich alle Verheißungen des Alten Testaments in Jesus erfüllten.
So ist die Geburt von Jesus nicht nur das beschauliche Geschehen, als das in diesen Breiten zumeist beschrieben wird. Der enge Stall als Geburtsort steht in krassem Gegensatz zu dem machtvollen Ereignis, der sich mit der Menschwerdung von Jesus verbindet. Es ist der Einbruch des Wirkens Gottes in den Kosmos und in die Menschheitsgeschichte.